Geld ist immer da, nur nicht an den richtigen Stellen / Joseph Vogl erklärt

28.11.2023NewsBerliner ZeitungTimo Feldhaus —   –  Details

Joseph Vogl

Die Bundesregierung sucht nach plötzlich fehlendem Geld. Der Berliner Philosoph Joseph Vogl erklärt die Anomalie der Schuldenbremse und warum Schulden magische Instrumente sind. Ein Interview. — Joseph Vogl ist nicht nur einer der schillerndsten Geisteswissenschaftler der Republik, er hat sich auch eingehend mit ökonomischen Fragen auseinandergesetzt. In seinem Buch «Das Gespenst des Kapitals» stellt er den Kapitalismus auf neue Füße. Heute sitzt Vogl in seinem Gastprofessorenzimmer der amerikanischen Universität Princeton, jedes Wintersemester lehrt er dort. Im Hintergrund des Videotelefoniefensters stehen erst vier Bücher im Regal, die er just aus der Bibliothek ausgeliehen hat. Wir wollen verstehen: Was sind eigentlich Schulden und wozu wurden sie erfunden? Habeck und Lindner beneidet der Professor nicht. «Wer jetzt gezwungen ist, über Schulden und Verschuldung zu reden», meint der brillante Joseph Vogl, «kann schnell als Advokat des Teufels erscheinen.» — Herr Vogl, ich melde mich mit einem Notruf bei Ihnen, die Bundesregierung steht nun vor dem 60-Milliarden-Loch. Ganz offen gefragt: Was macht man, wenn kein Geld mehr da ist? — Das Geld war auch vorher nicht da, man hat ja nur auf eine Umwidmung von Krediten gehofft. Oder anders gesagt: Geld ist immer da, nur nicht an den richtigen Stellen. — Robert Habeck beschrieb die Schuldenbremse gerade als «wenig intelligent». Weiter sagte der Stellvertreter des Bundeskanzlers, praktisch in Ihrem Sinne: «Für die Gegenwart werden wir das Geld anders finden müssen.» — Natürlich. Man könnte auch sagen, dass die Schuldenbremse eine Anomalie darstellt. Sie wurde 2009 nach der Finanzkrise im Zeichen der Austeritätspolitik eingeführt und schon damals kontrovers diskutiert, auch unter Ökonomen. Ein umstrittenes fiskalpolitisches Instrument hat also Verfassungsrang erhalten und wird heute vehement nur noch von FDP, AfD, CSU und Unternehmerverbänden verteidigt. Denn auch die damit geplanten Kürzungen sind ja politisch gefärbt: weniger Geld für Sozialausgaben, Klimaschutz, Entwicklungshilfe. — Mehr als 15 Jahre hatte Philosoph Joseph Vogl den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur: Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien an der Humboldt-Universität in Berlin inne.

 
 

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