Holger Friedrich: Warum ich trotzdem für die Freiheit weiterkämpfe

30.06.2025NewsBerliner ZeitungHolger Friedrich —   –  Details

Holger Friedrich

Der Verleger wurde mit jeder Denunziation überzogen: Putin-Knecht, Corona-Leugner, Antisemit. Hier schreibt er, warum er trotzdem weiterkämpft.

Seit dem Kauf des Berliner Verlags habe ich viel über Medien als Macht-Werkzeuge gelernt. Ich konnte erfahren, welche Tragweite Äußerungen und Handlungen haben, wenn sie über die Reichweite eines Mediums verfügen. Auch habe ich gelernt, wie es sich anfühlt, Beißreflexe eines etablierten Systems auszulösen, wenn dessen Orthodoxien infrage gestellt und der exklusive Zugang zu diesem System geöffnet wird. Unmittelbar nach dem Erwerb des Verlags 2019 begegneten Branche und Öffentlichkeit mir und meiner Familie noch mit vorsichtiger Neugier. Diese Neugier schlug jedoch bald in Ablehnung um, als wir signalisierten: Ein „Weiter so“ werde es mit uns nicht geben. Wir wollten Machtgefälle nivellieren, umfassender informieren, unfair Ausgegrenzten Zugang verschaffen und die Meinungsfindung auf die Seite der Leser verlagern. Im besten Sinne Pressefreiheit ermöglichen. Wir wollten helfen, die wachsenden Unterschiede zwischen erlebter und veröffentlichter Realität zu verringern. Für den sich bald aufbauenden Konflikt brauchte es nicht viel. Es genügten die in jedem Umbruch unvermeidlichen internen Auseinandersetzungen und ein größerer Artikel, in dem wir zu erklären versuchten, wofür wir stehen und wie wir die vor uns liegenden Herausforderungen angehen wollen. Kurz darauf schienen einige Kollegen in den Redaktionen der Mitbewerber zu dem Schluss gekommen zu sein: So einer wie Friedrich darf keine Zeitung besitzen.

Meine falsch dargestellte Stasi-Geschichte Was folgte, war eine erste groß angelegte Diskreditierungskampagne. Christian Meyer und Uwe Müller von der Welt meinten enttarnt zu haben, dass ich etwas mit der Stasi zu tun hatte; dass ich als Jugendlicher von der Stasi in die Ecke manövriert worden war, dass ich mich genötigt sah, das Lippenbekenntnis einer Zusammenarbeit abzugeben. Dieser Umstand war kein Geheimnis. Die Stasi hat sich seit meinem 16. Lebensjahr für mich interessiert, die Observation endete mit meinem 23. Lebensjahr, erst wenige Tage vor dem Mauerfall. Viele in meinem Umfeld kannten die Stories. Insofern gab es zwei Akten, einen größere „Opferakte“ mit Hunderten Seiten, angelegt über einen Zeitraum von über 6 Jahren, und eine „Täterakte“ mit ca. 120 Seiten über anderthalb Jahre. Als IM habe ich vier konspirative Treffen von Juni bis August 1988 hinter mich bringen müssen. Im Sommer 1988 habe ich die weitere Zusammenarbeit gegenüber der Stasi verweigert und mich gegenüber meinem Umfeld weitergehend dekonspiriert. Im Übrigen fand die eskalierende Episode während meines Wehrdienstes statt. Laut Stasi-Unterlagen-Gesetz wäre eine Verwertung durch die Presse gar nicht zulässig gewesen. Der Zeitung Die Welt standen aus der „Täterakte“ schmale 80 Seiten zur Verfügung. Selbst in diesem Auszug war noch leicht herauszulesen, dass eine schrittweise Eskalation zwischen den Ermittlern der Stasi und mir dazu führte, dass ich unfreiwillig mit der Stasi kooperieren musste und dass ich gleichzeitig diese Kooperation erfolgreich abwürgte – was einige in der Akte erwähnte Personen später gegenüber Zeit, FAZ, Spiegel und selbst der New York Times bestätigten. Dies bestätigte auch das Gutachten einer unabhängigen Kommission. Der Deutschlandfunk berichtete unter der Überschrift „Stasi-Gutachten entlastet Holger Friedrich“: „Friedrich wird bei einem Urlaub mit seiner Freundin 1987 von 16 Leuten überwacht, später verschafft die Stasi sich mit einem Nachschlüssel Zugang zu seiner Wohnung, um Material zu kopieren. Was eine Erklärung sein könnte, warum Friedrich in der ,Kontaktierungsphase‘ bemüht war, den Anforderungen des MfS an eine inoffizielle Zusammenarbeit gerecht zu werden‘.“ Doch Die Welt wollte eine andere Story. Viele Medien griffen die Geschichte auf, ohne sie selbst zu überprüfen. Nach dem ersten Aufschlag an einem Freitagabend brachten fast alle deutschen Zeitungen am nächsten, darauffolgenden Samstagmorgen einen Bericht über die „Stasi-Geschichte des neuen Verlegers der Berliner Zeitung“. So, wie sie in den Medien berichtet wurde, so wie sie bis heute in Wikipedia, neben anderen Unwahrheiten steht, stimmt sie jedoch nicht. Wenn Wikipedia ihren eigenen Standards folgen würde, müsste sie die Publikation der Seite aussetzen. (…)

 
 

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