23.04.2025 – News – Berliner Morgenpost – Steffen Rüth — – Details
Sophie Auster
Die Sängerin kommt zum Konzert nach Berlin. Ein Gespräch über den Tod ihres Vaters, Donald Trump und ihr Leben als Mutter.2024 wurde sie Mutter eines Sohnes und verlor ihren Vater an den Krebs. Sophie Auster, die Tochter der Schriftstellerin Siri Hustvedt und des Schriftstellers Paul Auster, hat folglich so einiges zu verarbeiten auf ihrem neuen Album „Milk For Ulcers“. Und das macht die 37-Jährige, die bereits mit 18 ihr Debütalbum veröffentlichte, wirklich ausgezeichnet. Austers Songs, die sich stilistisch ein wenig in jener Ecke verorten lassen, in der sich auch Fiona Apple, Tori Amos oder Lorde wohlfühlen, haben Substanz, ohne verkopft zu klingen, manche sind traurig, manche sind fröhlich, und man hört der Musikerin an, dass sie liebt und geliebt wird.Sophie, ganz zu Beginn des Albums, im Song „Flying Machine“, stellen Sie sich mit kindlicher Stimme einem Publikum, bestehend aus „Ladies and Gentlemen“, vor. Stammt der Aufnahmeschnipsel von einem frühen Livekonzert?Sophie Auster: Ja, und es fand bei uns zu Hause im Wohnzimmer statt (lacht). Ich war sechs. Der Ausschnitt ist Teil einer Radioshow, die ich sozusagen produziert und für Mum und Dad aufgeführt habe. Wir haben daheim oft solche lustigen, albernen Sachen gemacht. Ich war ein Kind, das viel gelacht hat.
Wurden Sie jemals von Ihren Eltern zum Lesen gezwungen? — Oh Gott, das hört sich ja so an, als wäre Lesen eine Strafe.
Für viele junge Menschen scheint es das ja heutzutage zu sein.Also für mich war es das ganz bestimmt nie. Meine Eltern haben mich motiviert, sie mussten mir nie sagen: Mädchen, lies doch mal ein Buch. Ich bin inmitten einer gigantischen Bücherkiste aufgewachsen, das ist eingepflanzt in meine Existenz.Ihre Musik klingt ziemlich anspruchsvoll. Was hatten Sie in der Jugend für einen Musikgeschmack?Die Boybands fand ich nie besonders aufregend, ich bin aber zu Hause auch nur wenig mit dieser typischen Popkultur in Kontakt gekommen. Bei uns waren die klassischen Filme, die klassischen Schriftsteller und der klassische Rock’n’Roll einfach angesagter. Ich habe glaube ich nichts Neues oder Aktuelles im Radio gehört, bis ich 13 war.Weil Sie Ihre Eltern nicht gelassen haben?Nö, ich hätte schon dürfen. Aber ich wollte nicht. Wenn man Bob Dylan und Tom Waits und die Beatles hören kann, dann braucht man sich vieles von den moderneren Sachen gar nicht erst sich antun.Ihr erstes Album haben Sie damals mit 16 aufgenommen, und sogar schon mit neun haben Sie in Agnieszka Hollands Film „Washington Square“ mitgespielt. Waren Sie ein Kind, das es früh auf die Bühne und vor die Kamera gezogen hat?Doch, das kann man sagen. Ich fand das unheimlich aufregend. In einem Film mitspielen, wie cool ist das denn? Ich hatte natürlich fürchterliche Angst. Ich wusste ja überhaupt nicht, was ich tat. Aber die Angst war auch Teil des Nervenkitzels. Und wenn ich den Auftritt, den Dreh, was auch immer, dann bewältigt hatte, fühlte ich mich jedes Mal wie der glücklichste Mensch auf Erden.Sind Sie heute immer noch so aufgeregt vor Auftritten?Ja, aber aus anderen Gründen als früher. Jetzt geht es eher um den ganzen Organisationskram, der mich nervös macht. Ich spiele bald einige Shows in Europa, und zusammen mit Spencer plane ich, wie wir am besten die Betreuung unseres knapp anderthalbjährigen Sohnes Miles hinbekommen. Die Idee ist, dass die beiden in Berlin bleiben, mich bei einigen Konzerten besuchen und wir anschließend noch ein wenig gemeinsame Zeit in Berlin verbringen.Im Video zu „Look What You’re Doing To Me“ sieht man Sie in vielen Szenen zusammen mit Ihrem Mann Spencer Ostrander, einem Fotografen, der das Video auch inszeniert hat. Ihr wirkt glücklich.Danke schön (lächelt). Ja, das sind wir auch. Wir mussten nicht schauspielern, um ein verliebt wirkendes Paar darzustellen. Das Material ist alles echt, wir haben nichts gestellt. Die Szenen reichen zurück bis in die Zeit, als wir uns kennenlernten. Auch der Song an sich handelt von ihm. Aber logisch, wir haben natürlich die schönsten Momente unseres gemeinsamen Lebens ausgesucht. Selbst wir zanken manchmal.Sie haben sich vor Jahren mal über die unreifen und selbstverliebten Männer in New York beklagt.Speziell in meinen Zwanzigern war mein Liebesleben eine Katastrophe. Die Typen in New York gaben sich einfach keine wirkliche Mühe. Ich fürchte, sie geben sich bis heute keine, und Dating-Apps haben dieses Verhalten nur noch schlimmer gemacht. Sie wissen, die Auswahl ist groß, und wenn ihnen irgendwas nicht hundertprozentig passt, ziehen sie weiter. Die Mühen eines Beziehungslebens mit allen Höhen und Tiefen lehnen viele dieser auf mich immer ganz schön unreif wirkenden Jungs ab. Spencer ist übrigens überhaupt nicht so (lacht).
Würden Sie heute, mit 37, der Sophie von damals etwas mit auf den Lebensweg geben wollen?Ich hätte ihr verdammt viel zu erzählen, aber ich würde ihr vor allem raten, eigene Erfahrungen und auch eigene Fehler zu machen. Ich würde ihr sagen, nicht zu viel darüber nachzugrübeln, was andere wohl von ihr denken könnten. Etwas mehr Entschlossenheit und auch mehr Selbstbewusstsein, gerade in manchen Beziehungen, hätten ihr gutgetan. Glücklicherweise aber habe ich von meinen Eltern einen wunderbaren Wertekompass bekommen, an dem ich mich bis heute orientiere.Schaut man sich das aktuelle politische Geschehen in den USA an, so scheint von einem klassischen Wertekompass nichts mehr übrig zu sein. Wie sehen Sie das?Mit Schrecken. Ich komme aus einer sehr liberalen, weltoffenen Familie, wir sind immer viel gereist und haben uns für andere Menschen und Kulturen interessiert. Die Clique um den Präsidenten interessiert sich hingegen nur für sich selbst und für den eigenen Vorteil. Dort passieren tausend Dinge am Tag, die ich verstörend finde. Jetzt hängt sich Trump auch noch ausgerechnet an Putin dran. Ich mache mir ernsthafte Sorgen, ob wir bei der nächsten Wahl in dreieinhalb Jahren noch eine Demokratie sind. Oder ob es Donald Trump fertigbringt, die USA zu einer Diktatur umzubauen.Und trotz allem ist es lange recht ruhig im Land gewesen. Nur langsam scheinen die Menschen unruhig zu werden und auf die Straße zu gehen.Nicht wahr? Wo bleiben die Aufstände? Die Demokratie wird abgeschafft, und die Leute schlafen. Normalerweise sollten längst Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern in den Straßen gegen ihre Regierung protestieren. Passiert aber nicht. Ist den Menschen unsere Demokratie egal?Zumindest gab es Anfang April die ersten Massenproste.Das stimmt. Hoffen wir, dass es der Beginn einer Bewegung ist. Neulich war ich auf irgendeiner Fashion-Week-Veranstaltung, und da meinten ein paar Leute so „Hey, 2025 wird mein Jahr“. Ich bin richtig sauer geworden und habe die angeblafft und gemeint: „Meinst du, bevor oder nachdem dir alle deine Bürgerrechte und Freiheiten weggenommen worden sind?“ Nein, dies ist nicht unser Jahr. Ich bin echt geschockt, wie blasiert die Leute sind. In Frankreich wäre das halbe Land auf den Beinen. Ich verstehe es einfach nicht.
Ihr Vater Paul Auster ist im vergangenen Jahr verstorben. In dem sehr schönen und tröstenden Lied „Blue Team“ singen Sie, dass Sie ihn manchmal in Ihren Träumen sehen. Ist das wahr?Ja, das stimmt wirklich. Manchmal begegnet er mir als kranker Mensch, manchmal aber auch als gesunder, jüngerer Mann. „Blue Team“ war extrem schwer zu schreiben, denn der Song ist fast eine Art Nachruf – verfasst, als mein Vater noch lebte. Ich bin so froh und dankbar, dass er ihn vor seinem Tod noch hören konnte.Worum geht es in „Blue Team“?Um uns als Familie. Mein Vater hatte einen Lehrer, der exzellent darin war, die sensiblen, intellektuell interessierten, Jugendlichen zusammenzubringen. Mit ihnen debattierte er dann über Gott und die Welt. Er nannte die Gruppe, die er um sich geschart hatte, „Blue Team“. Mein Vater war einer von ihnen. Für mich hat der Song aber noch eine Bedeutung, die darüber hinausgeht.In welcher Weise?Für mich ist das „Blue Team“ eine Metapher für den Zusammenhalt der anständigen, empathischen Menschen insgesamt. Menschen brauchen andere Menschen. Gerade in schweren Zeiten. So viele Emotionen schaukelten sich in mir hoch, als ich die Lieder für „Milk For Ulcers“ schrieb. Es fiel mir nicht leicht, mit der Trauer umzugehen. Am Tag, nachdem mein Vater starb, wurde Miles vier Monate alt. Gleichzeitig zu trauern und mich um dieses kleine, hilflose Wesen zu kümmern, hat mir alles abverlangt. Vielleicht hatte es auch etwas Gutes, dass mein Baby da war, so konnte ich nicht noch tiefer in die Traurigkeit wegen des Verlusts meines Vaters hinabsinken. Ich musste weiter funktionieren.Ist Ihnen das einigermaßen gelungen?So gut es ging. Meine Mutter, mein Mann, unser Sohn, meine Freundinnen und Freunde, wir alle waren füreinander da. In Zeiten von Trauer, Trauma und Verlust erkennst du die Leute, die wirklich zu dir stehen. Manche, von denen ich dachte, wir wären befreundet, haben sich ziemlich scheiße verhalten und waren plötzlich einfach nicht mehr da. Mein Vater stirbt, und die rufen nicht einmal an, um zu fragen, wie es mir geht? Ich empfand das als bitter enttäuschend, aber ich habe auch dadurch gelernt, wie zäh, wie resilient, auch wie stark Menschen sind. Wir haben uns aufgerappelt. Und wir blicken nach vorne. Vor einigen Wochen habe ich den 70. Geburtstag meiner Mutter organisiert. Es ist ein wirklich schönes Fest geworden. Wir haben viel gelacht.
SK-jazznews