Neues von Franz Ferdinand, Jenny Hval und Alex Cameron – Bodega, Widowspeak,Sounds Of Survival From Ukrainian Underground, Kee Avil, The Moldy Peaches, Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer

10.03.2022Nachtmix: Die Musik von MorgenBayern 2Ralf Summer —   –  Details

Franz Ferdinand

Neue Alben von Franz Ferdinand, Jenny Hval und Alex CameronDie Neuheiten der Woche im Überblick. Mit dabei u. a. Franz Ferdinand, Bodega, Jenny Hval, Widowspeak, Goose, Kee Avil, The Moldy Peaches, Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer und Alex Cameron.Von: Ralf SummerStand: 10.03.2022 |BildnachweisDie Band Franz Ferdinand ist zurück mit einem Best-of | Bild: David EdwardsWidowspeak – The JackettSie wohnen wieder in New York – und haben in ihrer alten Heimat mit einem tollen Produzenten ihr sechstes Album aufgenommen. Das Duo Widowspeak war bei Homer Steinweiss vom Retro-Soul-Label Daptone im Studio. Der hat aber nicht Richtung El Michels Affair/ Menahan Street Band produziert, wofür man ihn also kennt. Der Retro-Mix ist hier eher 60s und 90s. Sängerin Molly Hamilton und Gitarrist Robert Earl Thomas, die bisher mit einem Chris-Isaak-„Wicked Game“-Cover am erfolgreichsten waren, legen eine zurückgenommene Platte für Fans von Cowboy Junkies/ Mazzy Star vor. Die Mischung des Musikerpärchens aus Folk, Dream-Pop und Slow-Core hätte endlich ein größeres Publikum verdient. (7,9 von 10 Punkten)Franz Ferdinand – Hits To The HeadErinnert sich noch jemand an diese Geschichte? Anfang der Nullerjahre ging der Gitarrist Nick McCarthy in München in den Plattenladen «Hausmusik“. Er gehörte zum Musikvertrieb und Label gleichen Namens. McCarthy, ein bei Bad Aibling aufgewachsener und lange in München aktiver Musiker, erkundigte sich im Laden, ob diese an seiner neuen Band interessiert wären. Er gab einem Mitarbeiter die Demo-CD, der hörte rein und sagte, dass der Chef zwar nicht da, aber der Sound eher nichts fürs Hausmusik-Label sei. So wendete sich Nick an Domino Records in London. Seine Band saß ja ohnehin nicht in München, sondern in Glasgow. Franz Ferdinand war ihr Name. Die weitere Geschichte ist bekannt: In ihrer 20-jährigen Karriere heimsten sie zig Mal Platin und Gold ein, verkauften 15 Millionen Platten und ihre Songs haben locker über eine Milliarde Streams. Da kann man schon mal inne halten und ein Best-of veröffentlichen. «Hits To The Head» heißt sie und enthält die großen Erfolge, die Nick McCarthy mitkomponiert hat. Von «Darts Of Pleasure» über «Take Me Out» über «No You Girls» zu «Do You Want To“. Inzwischen ist er nicht mehr dabei und widmet sich seinen eigenen, kleineren Projekten – zwischen Simsee und London. Es gibt auch zwei neue Stücke auf der Compilation – «Curious» und «Billy Goodbye“, die auch wieder den Nerv der Indie-Gitarren-Fans treffen sollten. Sänger Alex Kapranos, der kürzlich die tolle Newcomer-Band Los Bitchos produzierte, hat keine Scheu vor Best-of-Platten. Als Kind fand er über Bowie- oder Stones-Sampler zu diesen Acts. So soll es auch mit «Hits To The Head» sein: neue FF-Fans finden. Eine Best-of, das für Indie das ist, was das Blaue und das Rote Album für die Beatles sind. (8,5 von 10 Punkten)Bodega – Broken EquipmentEine Band aus Frauen und Männern, für Fans vom LCD Soundsystem und Gang Of Four. Die neue Platte der New Yorker Indie-Formation speist sich aus den Erfahrungen der MusikerInnen in einem Buchclub, in dem sie ab 2020 über Philosophie diskutierten. So geht es in den Lyrics um Gentrifzierung, Algorithmus-Marketing, Chatroom-Freundschaften, Gott und die Liebe. Ben und Nikki, die Stimmen von Bodega, sind auch im Filmbusiness unterwegs: Sie drehten u. a. das Erotikdrama «PVT Chat“. Die neue Platte entstand mit Leuten aus dem Pavement- und Wives-Umfeld. Schön ist die Liebes-Weitergabe-Weisheit in «All Past Lovers“: «They live inside of you“. Der Hit ist die Single «Statuette on the Console“, die es in acht Sprachen gibt, u. a. auch auf Deutsch – heißt dann «Statue auf dem Stehtisch“. (8,0 von 10 Punkten)Jenny Hval – Classic ObjectsSie singt von französischer Philosophie, vom Leben nach dem Tod, von Demokratie. Schliesslich kommt sie aus dem Land mit dem höchsten Demokratie-Index. Die Norwegerin Jenny Hval hat nun ihr bisher zugänglichstes Album abgeliefert, nachdem sie uns erstmals 2016 auffiel: mit «Conceptual Romance» – und 2018 mit «Spells“. 2022 könnte ihr Durchbruch auch in Deutschland klappen, ohne sich auzubiedern. Ihr Sound lebt von ihrer hellen, klaren, freundlichen Stimme, dazu softe Keyboards und leichte Grooves. Aber auch Gitarren und Bass, die man nicht immer als solche wahrnimmt, denn die Platte wirkt eher digital als analog. Beeinflusst ist sie von pop-ferner Musik wie z. B. Nusrat Fateh Ali Khan, dem verstorbenen pakistanischen Qawwali-Sänger, und den Ashram-Tapes der Jazzerin Alice Coltrane. Inhaltlich verarbeitet Hval das erste Corona-Jahr: «2020 war ich – wie alle anderen auch, nur eine Privatperson. Es durften keine Künstler auftreten. Wir waren Künstler ohne die Kunst. Ohne die Kunst war ich auf mein ‘Nur Ich’ reduziert. Manchmal ist Kunst einfach so einsam.» Vor Kurzem war Jenny (man spricht sie nicht Dschenny, sondern Jenny) im Zündfunk zu hören – im Interview zu ihrem neuen Roman «Perlenbrauerei“, dem ersten, der auf Deutsch erschien. Im Interview mit Katja Engelhardt sagte sie, dass sie für die Platte mehr nach dem klassischen Pop-Schema als bisher gearbeitet hat: Strophe-Refrain-Strophe-Refrain. Daher der Titel: «Classic Objects“. Die vielseitige Künstlerin stellt ihr neues Album am 7. April in Berlin vor. (8,1 von 10 Punkten)Alex Cameron – Oxy MusicWir kennen Roxy Music – und die Abwandlungen ihres Bandnamens. «Roxy Munich» hieß mal eine liebevoller Tribut-Song von Münchens F.S.K. Und nun die Ehrerbietung gleich als Album-Titel? «Oxy Music» heisst die neue Platte des australischen Musikers/ Entertainers Alex Cameron. Aber er meint mit dem Wortspiel auch «Oxycodon“, ein heftig wirkendes, halb-synthetisches Opioid, das schnell süchtig macht, und in den USA als Schmerzmittel viel Leid verursacht hat. Drogen spielen bei Cameron gern eine Rolle. Siehe auch «K-Hole“, ein Lied auf der neuen Platte, das von Ketamin handelt. Die Platte ist aus der Sicht eines ziellosen, jungen Mannes geschrieben, der zu Opioden greift – «er ist verwirrt über den Zustand der Welt und auf der dringenden Suche nach einem Grund, zu leben.» Ein Konzept, das man nun angesichts des Ukrainekrieges auch als Wohlstandsproblem empfinden oder gar abtun kann. Wobei die Songs von Cameron nicht tottraurig oder verspult daherkommen, sondern eher was Leichtes und Positives versprühen – und auch andere ernste Themen behandeln: wie z. B. das hörenswerte «Cancel Culture“. Bei dem am Ende eine Stimme lacht und sagt: «Nigga, you can’t say that“. Ab Ende März spielt er drei Konzerte in Deutschland – in Leipzig, Berlin und Hamburg. (7,3 von 10 Punkten)V.A. – Sounds Of Survival From Ukrainian UndergroundV.A. – Sounds Of Survial From Ukrainian Underground | Bild: SKP Records 2022Unterstützung für ukrainische KünstlerInnen: Die aus Regensburg stammenden Gebrüder Teichmann haben kurzerhand einen Ukraine-Sampler auf Bandcamp hochgeladen. Elektronisch, dubby, technoid – lauter neue Tracks von ihren FreundInnen aus der Ukraine. Zum Teil während der Angriffe auf Charkiv entstanden, als eine Rakete neben dem Kellerstudio (von Dubmasta) einschlug und das Lied nur noch ruckelnd nach Berlin zu Andi und Hannes geladen werden konnte. Die Stücke haben meist keine offenen politischen Botschaften – tragen aber Titel wie «Version Of Survival“, «Dead Dictators Dub» oder «Be Strong In Dub“. Die Brüder, die in Bayern ihr Techno-Label Festplatten am Start hatten, führen in Berlin mit Noland ein eigenes Label für ihre Global-Beats-Connections – sie haben mit dem Goethe-Institut viele musikalische Brücken in alle Welt schlagen können. Zeigen wir uns solidarisch und spenden für die 15 Tracks! Und hoffen wir, dass alle KünstlerInnen die Angriffe unbeschadet überstehen. Wie konstatieren die Teichis: «Being an underground artist in Ukraine has never been an easy path to choose.» (7,8 von 10 Punkten)Goose – EndlessDie Belgier stehen schon seit 15 Jahren für den Mix aus Electro und Rock. «British Mode» und «Bring It On» hießen ihre 2006er Club-Hits, die man bei Indie-Disco-Nächten zwischen denen von Franz Ferdinand und Soulwax hören konnte. Goose legen wert auf knackige Synthie-Sounds und hymnische Harmonien. Vier Jahre nach ihrem Live-Album haben Mickael Karkousse & Co. ihre neue Platte im berühmten Motorbass-Studio in Paris aufgenommen. Für ihn steht die Platte für ein «Funkeln aus Gitarren, Synthies, verträumtem Gesang und treibenden Drums“. Aber sie diskutierten nicht, gingen eher instinktiv bei den neuen Stücken vor. Ab Ende April sind Goose auf Deutschland-Tour: in Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt und München – am 4. Mai in der Neuen Theaterfabrik als Support von The Midnight. Nicht zu verwechseln mit Geese (den Idles-Label-Mates aus Brooklyn), die im letzten Jahr populär wurden. (7,2 von 10 Punkten)Kee Avil – CreaseArtsy, abstrakt, experimentell – die Kanadierin Vicky Mettler mit Avantgarde-Sound zwischen dissonanten Gitarren und leise bis geflüsterten Vocals. Ihr Debüt unter dem Projekt-Namen Kee Avil erscheint beim renommierten kanadischen Label Constellation, das uns auch schon tolle Alben von Godspeed You! Black Emperor, Jerusalem In My Heart oder Sandro Perri beschert hat. Vicky macht schon länger Musik: Sie ist Studio-Mitbetreiberin, Konzert-Veranstalterin, spielte mit Noise- und Improv-Größen wie Marc Ribot und Pere Ubu und liefert nun eine Platte, die Sicherheiten in Frage stellt und unter dem Kopfhörer ihre volle Wirkung entfaltet. Echt abgefahren. (7,4 von 10 Punkten)THE MOLDY PEACHES – Origin Story (1994-1999)THE MOLDY PEACHES – Origin Story (1994-1999) | Bild: Hart Musik (Major Babies)Kam schon letzte Woche, aber sei hiermit nachgereicht: das größtenteils unveröffentlichte Frühwerk der Anti-Folk-Pioniere Adam Green und Kimya Dawson. Das Duo, das sich als Babysitterin (Kimya) und Betreuter (Adam) in NYC kennenlernten, machten, als Klein-Adam Gitarre gelernt hatte, kauzig-schöne Musik mit abgefahrenem Humor. Leider nur ein Album lang – wenn auch mit dem Hit «Anyone Else But You“, das durch den Film «Juno» populär wurde. Danach gab es noch eine Live-Platte, bevor beide solo gingen und Adam Green ein Star wurde. Braucht man den Sampler, der (bisher) nicht digital erscheint und auf dem viele kurze Song-Snippets, Gedichte und Übungsraum-Skizzen enthalten sind? Nur die Die-Hard-Fans. Aber mit «Moldy Peaches Is In Da House» ist fast ein Hit drauf. Und viele Fotos, die Klein-Adam als Jugendlichen und Kimya in ihren abgefahrenen Anti-Folk-Kostümen zeigen. Späte Zeitreise. (7,5 von 10 Punkten)Jeremiah Chiu & Marta Sofia Honer – Recordings from the Åland IslandsEine akustische Insel-Erkundung: Zwei US-MusikerInnen halfen Freunden, ein Hotel zu errichten, in dem auch Workshops und Künstleraufenthalte stattfinden. Auf den Åland Islands zwischen Schweden und Finnland. Die beiden US-KünstlerInnen, die dort in der Ostsee landeten, nahmen eine Ambient-Jazz-Platte auf, die eine Verwandtschaft zu Brian Enos Ambient-Alben aufweist – mit Vogelgezwitscher im Hintergrund. Heilsam! Sie, Marta Sofia Honer, spielte schon bei Beyoncés Song auf dem Lion-King-The-Gift-Soundtrack-Stück mit. Ebenso auf dem Lied «Femme Fatale» – der Sharon Van Etten Coversion des Velvet-Underground-Klassikers. Sie an der Bratsche, Jeremiah bedient die Elektronik. Es ist die neueste Veröffentlichung auf dem US-Jazz-Label International Anthem. Der ebenfalls aus Chicago stammende John McEntire wirkte auch mit – die Fans kennen ihn von seinen Bands Bastro, Gastr Del Sol, The Sea And Cake und vor allem Tortoise, den Post-Rock-Pionieren der 90er. Tolle Fernweh-Musik. (7,6 von 10 Punkten)

 
 

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