Interview — Jörg Baberowski: «Putin hat keine andere Wahl mehr, als zu siegen …

04.04.2022NewsNZZJörg Baberowski —   –  Details

Jörg Baberowski

Putin braucht einen Sieg, um diesen Krieg ohne Prestige- und Machtverlust beenden zu können. Sollte er keine weiteren militärischen Erfolge mehr erzielen, wird er sich wahrscheinlich mit dem Status quo und der Neutralität der Ukraine zufriedengeben. In Russland könnte er diese Blamage immer noch als Sieg verkaufen. Nun spricht aber manches dafür, dass Putin seinen Plan, wenigstens den Osten und den Süden der Ukraine zu besetzen, noch nicht aufgegeben hat. Zurzeit vollzieht sich eine Umgruppierung der russischen Truppen.

— Aus dieser Schwäche aber wachsen die unermesslichen Greuel des Krieges. —

Putin wollte sein Werk, die Wiederherstellung des Imperiums, noch zu Lebzeiten vollenden, und er nahm ganz zu Recht an, dass die Ukraine für immer verlorengehen könnte. Denn die Ukraine hat sich seit 2014 nach und nach aus dem Orbit des Imperiums hinausbewegt. Selbst in den von Separatisten besetzten Gebieten im Osten der Ukraine schwanden die einst grossen Sympathien für die russischen Eroberer. Die Statthalter, die Putin im Donbass eingesetzt hat, sind korrupt, die wirtschaftlichen Verhältnisse prekär. Auch auf der Krim ist die Euphorie vergangener Tage verflogen. Putin wollte nicht mehr warten. Aber er versteht nicht, dass der richtige Zeitpunkt längst verstrichen, dass er zu spät gekommen ist. —

«Putin hat keine andere Wahl mehr, als zu siegen, wenn er an der Macht bleiben will. Aus dieser Schwäche aber wachsen die unermesslichen Greuel des Krieges» — Krieg und Gewalt veränderten alle und alles, sagt der Historiker Jörg Baberowski. Ein Gespräch über marodierende Soldaten, die von ihren Vorgesetzten terrorisiert werden. Den Realitätsverlust und die Lernfähigkeit von Tyrannen. Und die Notwendigkeit, irgendwann vergessen zu können. — eigentlich russlandtreue Ex-Sowjetrepubliken reagieren auffällig zurückhaltend auf den Krieg in der Ukraine. Die Staaten sind gefangen in einem Dilemma – der Verlierer heißt Putin.

Die Ukraine habe nie eine «echte Staatlichkeit» gehabt, sagte der russische Präsident Wladimir Putin am 21. Februar. «Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden.» Faktisch ist die Ukraine jedoch 1991 aus der Sowjetunion ausgetreten und seitdem ein unabhängiger, international anerkannter Nationalstaat – ebenso wie die 13 weiteren Ex-Sowjetrepubliken neben Russland und der Ukraine. — Angesichts von Putins Aussagen verfolgt man dort den russischen Angriffskrieg besonders intensiv. Nicht wenige internationale Beobachter und Politiker vermuten, dass der Kremlchef seine Macht auf das ehemalige Sowjetgebiet ausdehnen will. Doch kann er damit Erfolg haben?

 
 

SK-


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