17.04.2022 – Extra: Clip – Die Zeit – Lenz Jacobsen — – Details
Arvid Bell
«Die Erkenntnis der Friedensforschung, dass mehr Waffen nicht zu Frieden führen, sondern zu mehr Gewalt, Wettrüsten, und Instabilität, die ist ja nicht hinfällig durch diesen Krieg.»
«Man wird weltweit keinen Konsens gegen den russischen Angriffskrieg organisieren können, wenn man das zu sehr moralisch auflädt.» – Arvid Bell
Arvid Bell war mal ein linker Grüner Friedenspolitiker, heute berät er US-Militärs. Die deutsche Ukraine-Politik hält er für zu moralisch und selbstbezogen.
ZEIT ONLINE: Sie waren früher mal ein linker, antimilitaristischer Grüner. Heute trainieren Sie also unter anderem Militärs. Wie verträgt sich das? — Bell: Das hat sich durch meinen Beruf und meine Erfahrung in den USA geändert. Ich habe Vorurteile abgelegt. Vor vielen Soldaten, mit denen ich hier zu tun habe, vor allem Offiziere und Spezialkräfte, habe ich großen Respekt. Die sind klug und gut ausgebildet. Das sind die Letzten, die in den Krieg ziehen wollen und die Ersten, die dir sagen, wie schlimm militärische Gewalt wirklich ist. Eben weil sie das selbst erlebt haben. Ich habe für mich jetzt die Linie dort gezogen: Ich helfe niemandem, effizienter zu töten. Aber ich helfe, Konflikte verbal effektiver zu managen. Deeskalation statt Eskalation. Verhandeln statt Gewalt. Wie man das am besten macht, darüber rede ich mit Journalistinnen in Afghanistan genauso wie eben mit den Soldaten auf diesem Marine-Stützpunkt.
Von 2008 bis 2010 war Arvid Bell ehrenamtliches Mitglied im Parteirat der Grünen und machte sich im linken Flügel der Partei einen Namen, unter anderem als Gegner von Rüstungsexporten und Militäreinsätzen. Mittlerweile ist er Lehrbeauftragter an der Harvard Universität und Direktor der «Negotiation Task Force» am dortigen Davis Center for Russian and Eurasian Studies, wo er die Rolle von Verhandlungsstrategien in der Deeskalation von Konflikten erforscht. Hierzu hat er Krisengebiete in Osteuropa, Zentralasien, und dem Nahen Osten bereist, und Nato-Einsatzkräfte und Parlamente beraten. Wie blickt der 37-Jährige auf den westlichen Umgang mit dem russischen Angriffskrieg und das Verhalten seiner alten Partei