Was würde Willy Brandt jetzt tun? / Der Ukrainekrieg und die SPD

02.06.2022NewsSpiegel OnlineGesine Schwan, Jan C. Behrends — Felix Bohr, Katja Iken —   –  Details

brandt + spd

»Die fehlgeleitete Russlandpolitik der SPD muss historisch analysiert werden. ›Wandel durch Handel‹ darf zukünftig nicht mehr der Kern deutscher Außenpolitik sein.« — Historiker Jan Claas Behrends

 
 

Aus meiner Sicht war aber auch Merkels Vertrauen in die Überzeugungsfestigkeit der westlichen Demokratien zu gering, um den Autokratien selbstbewusst gegenüberzutreten. Sie war letztlich nicht überzeugt, dass wir Diktaturen wie Russland und China Paroli bieten können und hat deshalb lieber keinen Eklat riskiert. Merkel wollte keine Kontroversen, weder im Innern noch in der Außenpolitik. — SPD-Politikerin Gesine Schwan

 
 

«Wandel durch Annäherung«: Auf diese Zauberformel setzte der sozialdemokratische Bundeskanzler Willy Brandt ab 1969 im Umgang mit der Sowjetunion. Am 3. Juni 1972 traten mit dem Warschauer und dem Moskauer Vertrag zwei Abmachungen in Kraft, die mitten im Kalten Krieg für Entspannung zwischen den verfeindeten Blöcken sorgten. Angesichts des Ukrainekriegs ist die Brandtsche Ostpolitik in Verruf geraten. Zu Recht? Darüber diskutieren SPD-Mitglieder aus zwei Generationen: Gesine Schwan, Jahrgang 1943, und Jan Claas Behrends, Jahrgang 1969. — SPIEGEL: Russland hat die Ukraine angegriffen, die deutsch-russischen Beziehungen liegen auf Eis. Was würde Willy Brandt jetzt tun, Frau Schwan?

Schwan: Brandt würde entschieden reagieren, weil er bei seinen Grundwerten über einen klaren Kompass verfügte. Ihm ging es nicht allein um Frieden, also darum, dass die Waffen schweigen, sondern ebenso um Freiheit. Auch wenn er insgesamt manchmal gefühlig war: Brandt hatte keine Sentimentalitäten in Bezug auf die totalitäre stalinistische Herrschaft.

 

1972 traten die Ostverträge in Kraft. Hier streiten Politikerin Gesine Schwan und Historiker Jan C. Behrends darüber, wie Brandts Entspannungspolitik bis heute nachwirkt – und warum der SPD mehr Distanz zu Russland so schwerfällt.

 
 

Behrends: Die Situation ist offen. Man weiß zu Beginn eines Krieges nicht, wie er am Ende ausgeht. Unser Platz ist an der Seite der Ukraine, doch unsere Politik sollte bedacht agieren. Wir müssen durchaus einkalkulieren, dass noch etwas Dramatisches geschieht. In der Logik des Krieges liegt die Eskalation, wusste schon Carl von Clausewitz.

 
 

SK-


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