Warum der Rock auf der Seite der Ukraine steht / Kriegstagebuch

10.07.2022NewsWelt OnlineJuri Durkot —   –  Details

Plastic People of the Universe

Widerstand durch Musik: Plastic People of the Universe — Seit dem ersten Kriegsmorgen hält uns der preisgekrönte Übersetzer Juri Durkot aus Lemberg über die Lage in der Ukraine auf dem Laufenden. Wir aktualisieren sein Tagebuch regelmäßig. Heute erzählt er von Bands, die der Ukraine schon seit 1968 helfen.

Vielleicht waren «The Plastic People of the Universe» nicht die beste Band der Welt. Auf jeden Fall haben die Kritiker selten über ihre Musik geschrieben. Von Frank Zappa und Velvet Underground stark beeinflusst, spielte die Band am Anfang psychedelischen Rock, dem sie später Elemente von Jazz und tschechischer Volksmusik beimischte. Gegründet im September 1968, kaum einen Monat nach der Niederschlagung des «Prager Frühlings», galt sie als wichtigster Vertreter des tschechischen Undergrounds und als Symbol für den Widerstand gegen das kommunistische Regime. — Auch wenn ihre Songs nicht direkt politisch waren, hatten «The Plastic People of the Universe» um den Bassisten Milan Hlavsa und den kanadischen Sänger Paul Wilson von Anfang an Probleme mit den Behörden, die ihnen bereits 1970 die Lizenz der Profimusiker entzogen. Nunmehr bestand ihr Equipment aus selbst gebastelten Verstärkern und geliehenen Instrumenten; ihre Auftritte wurden heimlich vorbereitet und fanden an abgelegenen Orten statt. 1976 wurde die Band verboten, ihre Mitglieder verhaftet, in den Staatsmedien verleumdet und zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt. Paul Wilson, obwohl er die Plastics bereits 1972 verlassen hatte, wurde aus der Tschechoslowakei deportiert. Die berühmte Bürgerrechtsbewegung Charta 77 entstand zum Teil als Reaktion auf diese Verhaftungen und Verurteilungen. — — Damals haben wir von den Plastics nichts gewusst. In der Sowjetunion wurde der Musikbetrieb noch stärker kontrolliert. Die nicht besonders zahlreichen Bands waren offiziell bei der örtlichen Philharmonie angestellt. Einige spielten in den seltenen Restaurants, zu denen die normalen Bürger kaum Zugang hatten. Das Repertoire musste vorher von der regionalen Parteizentrale abgesegnet werden; ein Blatt mit Auflistung der genehmigten Songs hing irgendwo an der Wand. Erlaubt waren pro Abend höchstens zwei Songs, die nicht auf dieser musikalischen Speisekarte standen. Manchmal wurden die Musiker von speziell angesetzten Agents Provocateurs dazu animiert, andere Stücke zu spielen. Wurde die Band dabei ertappt, versetzte man sie zur Strafe für einen Monat im Rahmen des sozialistischen Kulturbetriebs irgendwohin in die tiefste Provinz. Der Rebellengeist des Rock›n›Roll passte nicht zum Ideal einer glücklichen kommunistischen Zukunft im tristen sowjetischen Alltag.

 
 

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