Andreas Koziol, Dichter des unangepassten Wortes, ist tot

19.05.2023NewsBerliner ZeitungCornelia Geißler —   –  Details

Andreas Koziol

Der Dichter Andreas Koziol, der am 16. Mai nach kurzer schwerer Krankheit verstorben ist, musste sich im vereinten Deutschland daran gewöhnen, dass sein Name meist in Aufzählungen fiel. Er gehörte durchaus in eine Ehrenriege der Sprachkunst, mit Wolfgang Hilbig, Adolf Endler, Elke Erb, Jan Faktor, Frank-Wolf Matthies, Gabriele Stötzer und Gert Neumann: Autoren, die in der DDR ihre Öffentlichkeit nur in Wohnungslesungen oder inoffiziellen Künstlerzeitschriften fanden. — Die Außenwahrnehmung heftete sie mit einer Klammer namens Prenzlauer Berg zusammen, erst als Dichterszene bewundert, später wegen der zwei prominenten Stasi-Fälle Sascha Anderson und Rainer Schedlinski auch bemitleidet. Mit Anderson und Schedlinski, außerdem Henryk Gericke und Klaus Michael, gründete Koziol kurz nach dem Mauerfall den Verlag Druckhaus Galrev. Da war kurz zuvor sein erstes Buch in einem großen Verlag erschienen, der Band «Mehr über Rauten und Türme» in der von Gerhard Wolf bei Aufbau betreuten Edition «Außer der Reihe». — Porträts der Szene im «Bestiarium Literaricum» — Dass die Dichter der «Prenzlauer-Berg-Connection» Individualisten waren, fiel bei der Aufzählerei oft unter den Tisch. Koziols zweites Buch «Bestiarium Literaricum» hob im Stile einer Tierkunde mit Humor und Scharfsinn vor allem auf die Unterschiedlichkeit in Stil und Auftritt seiner Kollegen ab. Festgeschrieben hat er das zuvor auch in der «addition der differenzen», einem Gedicht, dessen dritte Strophe so geht: «einer verrennt sich in worten wie heimat/ einer empfindet die schwerkraft als fluch/ einer, der ständig den Vater am bein hat/ einer ist ohne geschmack und geruch». Das lässt an Thomas Braschs «Vor den Vätern sterben die Söhne» denken und an den Autor selbst: Koziols Vater war Offizier der Staatssicherheit, bis er wegen Alkoholismus entlassen wurde. In einem autobiografischen Text, «Nachgeblätterte Zeiten», herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, schreibt er: «In den familiären Geflechten war kein wesentlicher Unterschied zum Staat auszumachen.» So kam er in doppelte Opposition.

 
 

SK-


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