Ein Leben für das Kino: Der Filmwissenschaftler Hans Helmut Prinzler ist tot

19.06.2023NewsBerliner ZeitungHarry Nutt —   –  Details

Helmut Prinzler

Die Stürme des Zeitgeists notierte er mit der Nüchternheit des gewissenhaften Chronisten. Mit leidenschaftlichen Stellungnahmen jedenfalls hielt sich der Filmwissenschaftler und -autor Hans Helmut Prinzler vorsorglich zurück. Wenn es ihn dann doch einmal zu einer Einschätzung drängte, dann geschah dies in der ihm gebotenen Zurückhaltung. Über die Berlinale des Jahres 1968 schreibt Prinzler: «Erste politische Störungen beim Festival. DFFB-Studenten bewerfen bei einer Diskussion im Audimax der TU Alexander Kluge und Enno Patalas mit Eiern. Die Aktion finde ich eher peinlich.» — Die Bemerkung zeigt, dass selbst später ganz eindeutig der politischen Gegenkultur zugerechnete Akteure wie Alexander Kluge und Enno Patalas sich dem Furor der Rebellion ausgesetzt sahen. Hans Helmut Prinzler notierte die Volte eher widerwillig und ging lieber ins Kino, wo Werner Herzogs «Lebenszeichen» und Jean-Marie Straubs «Chronik der Annamaria Bach» als deutsche Beiträge im Wettbewerb liefen. Beide Filme sind heute eher vergessen. Das zeigt den unschätzbaren Wert dieser kleinen Chronik, die Hans Helmut Prinzler unter der Überschrift «Meine 62 Berlinalen» auf seine Internetseite gestellt hat. Kurze Referate, kleine Geschmacksbekundungen, manchmal Kritik. Über die jüngste Ausgabe der Berlinale schreibt Prinzler: «Im Wettbewerb werden fünf deutsche Filme gezeigt. Am besten finde ich «Roter Himmel» von Christian Petzold, aber auch «Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste» von Margarethe von Trotta und «Irgendwann werden wir uns alles erzählen» von Emily Atef beeindrucken mich.» — Von seinem Naturell her war Hans Helmut Prinzler ein Mann des Textes — Ein letztes Mal fand der 1938 in Berlin geborene und in Oberndorf am Neckar aufgewachsene Prinzler da die Muße, sich der Liebe zum Kino hinzugeben, die sein Leben auch beruflich bestimmt hat. Von seinem Naturell her war er ein Mann des Textes, die genaue Analyse war sein Metier. Nach einem Studium der Theaterwissenschaften, Publizistik und Germanistik in München und Berlin blieb er zunächst an der Uni hängen. 1969 erfolgte der Wechsel an die Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), wo er zehn Jahre lang als Studienleiter tätig war. Seine zentrale Wirkungsstätte aber wurde die Stiftung Deutsche Kinemathek, die er von 1990 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2006 leitete und die nun auch die Nachricht seines Todes überbrachte. Ein Meilenstein seiner Arbeit war die große Ausstellung «Kino – Movie – Cinema», die 1995 im Martin-Gropius-Bau gezeigt wurde.— Hans Helmut Prinzler war ein pragmatischer Regler im Hintergrund, es drängte ihn nicht in die erste Reihe, und die Filmpublizistik verstand er als dienende Instanz. Tausende Publikationen, die mit seinem Namen verknüpft sind, sind ein bleibender Beleg für ein Leben für die Filmkunst. Hans Helmut Prinzler, der über viele Jahre auch die Programme der beliebten Berlinale-Reihe Retrospektive zusammengestellt und entsprechend erforscht hat, ist nun im Alter von 84 Jahren in Berlin gestorben.

 
 

SK-


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