Inge Mahns Vermächtnis: Kunst ist Kunst und im eigentlichen Sinne kein Lehrfach

19.06.2023NewsBerliner ZeitungIngeborg Ruthe —   –  Details

Inge Mahn

Wer sie kannte, ihre Energie, ihren Umgang mit Studierenden und ihre Affinität zu nachhaltigen Gemeinschaftsprojekten – bis 2009 noch an der Kunsthochschule Weißensee und zuvor schon an der Stuttgarter Kunstakademie –, der musste glauben, Inge Mahn würde 100 werden. Alt wie ein Baum, aber immergrün. — Ihr Credo war gleichzeitig die Erkenntnis, dass Kunst eben Kunst ist und im eigentlichen Sinne kein Lehrfach. Mit anderen Worten heißt das, dass es müßig ist, zu glauben, etwas erlangen zu können, was man nicht in sich hat. Zum Kunst-Machen gehört eben nichts Antrainiertes, sondern Kreativität, Leidenschaft, unbändige Neugier auf Formen und deren Veränderbarkeit. Ebenso Zähigkeit und Mut. — Gerade kam die Nachricht über ihre Berliner Galerie Hetzler, dass die Künstlerin am 19. Juni gestorben ist, unmittelbar vor ihrer großen Ausstellung im rheinland-pfälzischen Weidingen, die am 15. Juli eröffnet wird und bis Ende August läuft. Die Schau wird nun zum Extrakt und auch Vermächtnis ihres über 50-jährigen Schaffens als Bildhauerin – und als Lehrmeisterin. — Das zeigte sich in den Arbeiten der aus dem polnischen Teschen stammenden einstigen Meisterschülerin von Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie schon seit den frühen 1970er Jahren, etwa auf der Documenta 5 im Jahr 1972 in ihren «Individuellen Mythologien», später in ihren so kühnen wie alltags-sinnlichen Ideen für Kunst am Bau, ihre Reibung an der Bauhaus-Kunst und Architektur, die gerade im Bauhaus-Archiv große Wertschätzung erfuhr, was ihr eine Residenz in den Dessauer Meisterhäusern einbrachte.

 

— In Groß Fredenwalde in der Uckermark, wo sie nach ihrer Pensionierung lebte und arbeitete, gründete sie 2012 das «Stallmuseum», das seither den Dorfbewohnern und internationalen Künstlern offensteht und in dem sie, mitten im Corona-Jahr 2021, eine unvergessliche Schau initiierte . In Inge Mahns Skulpturen, Installationen, Performances hatte die Zugänglichkeit zum Werk, der Bezug zu den Betrachtenden oberste Priorität. In plastischer Form setzte sie sich mit Alltagsgegenständen auseinander und griff in architektonische Strukturen ein. Die sich daraus entwickelnden Gebilde könnten, erklärte sie, lediglich die Wiedergabe einer Situation sein oder herausgerissen und ihrem ursprünglichen Zweck entgegengesetzt werden. Oft verwendet werden Gips, Stoff, Pappe, Schnüre. Damit bilden sie Gebrauchsgegenstände und banale Objekte nach – um das Raumgefühl der Betrachter zu verändern. Dies sollte direkt, aber auch subtil und kaum merkbar geschehen. Es ging ihr um Erweiterung – um das Gefühl und Bewusstwerden des uns umgebenden Raums.

 
 

SK-


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