Milan Kundera: Vom Lachen und Vergesse

12.07.2023NewsZeit OnlineUlrich Rüdenauer —   –  Details

Milan Kundera

Der Schriftsteller Milan Kundera besaß ein tiefes Verständnis der menschlichen Existenz und ihrer Ambivalenzen. Zum Tod des großen tschechisch-französischen Romanciers — In seinem Roman Die Unsterblichkeit aus dem Jahr 1990 stiftet Milan Kundera eine sehr unwahrscheinliche Freundschaft: Hemingway und Goethe treffen im Jenseits aufeinander, zwei Autoren, die man unter normalen philologischen Umständen eher selten in einem Satz zusammenzwingen oder in einem Atemzug nennen würde. Aber mit wem wollte Goethe wohl in der Ewigkeit seine Zeit verbringen, fragt sich der immer wieder ins Geschehen eingreifende Romanautor. Mit Herder etwa? Mit Hölderlin? Oder mit Bettina, deren Liebeswerben um Goethe ihr einen eigenen Weg zur Unsterblichkeit ebnen sollte? Da doch lieber Papa Hemingway. «Ich habe also nur aus aufrichtigster Liebe zu ihm jemanden an seine Seite geträumt, der ihn interessieren könnte», heißt es im Roman, «und eben nicht diese Bande von bleichgesichtigen Romantikern erinnert, die gegen Ende seines Lebens von ganz Deutschland Besitz ergriff. — Nun ist Milan Kundera im Alter von 94 Jahren gestorben, und man fragt sich, wen man ihm gerne im Jenseits als Gesellschaft wünschen würde – einen jener Autoren, die er verehrt hat? François Rabelais, Miguel de Cervantes, Denis Diderot, Laurence Sterne oder Witold Gombrowicz? Hermann Broch, von dem Kundera einmal gesagt hat, dass er ihn über alles liebte? Oder vielleicht doch eher jemanden, den man nicht leicht mit seinem Werk in Verbindung bringen könnte – einen ganz unwahrscheinlichen Kandidaten wie John Steinbeck oder Ernst Jünger, der ja, wie Kundera selbst, ein stattliches Alter erreicht hat. Zu wünschen wäre ihm jedenfalls ein anregender Gesprächspartner, der seinen intellektuellen Leidenschaften gerecht werden kann. — Die begann er schon früh auszubilden, was bei seinem Elternhaus nicht ganz verwundern muss: Milan Kundera wurde am 1. April 1929 in eine bürgerliche, der künstlerischen Avantgarde zugeneigte Familie im tschechischen Brünn hineingeboren. Der Vater Ludvík Kundera war ein renommierter Pianist und Musikwissenschaftler, zudem Rektor der Musikhochschule Brünn. In einem Interview mit der New York Times erinnerte sich Kundera an die Hingabe seines Vaters an die moderne Musik – er verehrte Strawinsky, Bartók, Schönberg oder Janá ek, für dessen Werk er sich sehr einsetzte. Kunderas älterer Cousin war der 2010 im Alter von 90 Jahren gestorbene Schriftsteller und Übersetzer Ludvík Kundera.

 
 

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