03.09.2023 – Spielräume – Ö1 – Michael Neuhauser — – Details
shot my man
Mörderballaden: «I shot my man, he was doing me wrong.»
Als Teil der mündlichen Überlieferung haben Mörderballaden in angelsächsischen Ländern eine ähnlich starke und lange Tradition wie die Moritaten im deutschsprachigen Raum. Es wird sogar vermutet, dass dieses makabre Subgenre der erzählenden Ballade an sich germanischen Ursprungs ist. Jedenfalls wurde und wird auch in den USA seit jeher gern von schaurigen Mordgeschichten gesungen, von denen die meisten einen wahren Kern haben. So auch die wohl bekannteste unter ihnen, die von einer jungen Frau namens Frankie erzählt, die ihren geliebten Johnny erschossen hat, weil er sie mit einer anderen betrogen hat. Bisweilen heißt der Ermordete auch Albert bzw. Allen. Das verweist auf einen der Ursprünge der Ballade in einem dokumentierten Mord, den die 22-jährige Frankie Baker am 15. Oktober 1899 in St. Louis, Missouri, an ihrem 17-jährigen Geliebten Allen Britt begangen hat. — Aber es sind weniger die historischen Tatsachen, die den Song so interessant machen, als seine sonderbare Erzählstruktur und vor allem die vielen Variationen, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden sind und sämtliche Genres der US-amerikanischen Populärmusiktradition durchdrungen haben: von Blues, Folk- und Countrymusik bis hin zu Rockabilly und Soul. Und trotz seines simplen musikalischen Aufbaus hat «Frankie and Johnny» mit seiner bestechenden Melodie sogar eine glänzende Karriere als Jazzstandard hingelegt.
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