Als Robotyne fällt, bleibt ‹Maestro› zurück – und überlebt einen Monat lang

18.09.2023NewsFocus OnlineYulia Valova —   –  Details

Maestro Mikhail

Nach einem fehlgeschlagenen Angriff blieb ein ukrainischer Soldat allein zurück. Bis seine Truppen das Dorf zurückeroberten, kämpfte er wochenlang ums Überleben.

 

Als «Maestro» am 22. Juli mit einer Gruppe von Kämpfern der ukrainischen Streitkräfte einen Durchbruch in Richtung des Dorfes Robotyne im Süden des Landes versucht, bewahrheitet sich beinahe, was der 47-Jährige seiner Familie zum Abschied anderthalb Jahre zuvor geschrieben hatte. — Nachdem im Februar 2022 die russische Invasion begann, meldete sich Mikhail freiwillig an der Front. Er ließ seine Frau, seinen 25-jährigen Sohn und seine 17-jährige Tochter zurück, schickte ihnen nur einen Brief: «Ich schrieb meiner Familie, dass ich vielleicht nicht zurückkehren würde. Ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen um mich machen», sagt er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. — Bis dahin hatte Mikhail die Region Iwano-Frankiwsk im Westen der Ukraine nie verlassen, hatte in einer Holzwerkstatt gearbeitet. Dann wurde aus ihm «Maestro». — (…)

Ein toter Freund begräbt «Maestro» – und rettet ihn so — Dann explodiert eine Granate – und «Maestro» wird mit Erde bedeckt. «Nachdem ich mich von dem Schock erholt hatte, eröffnete ich erneut das Feuer», erzählt er. «Dann kam die zweite feindliche Granate, ich war wieder mit Erde bedeckt und konnte mich eine Zeit lang nicht bewegen.» Die Granate habe seinen Freund getroffen. Dessen Körper fiel auf Maestro. «Das rettete mir das Leben.» Dadurch hätten die Russen ihn nicht bemerkt. — Allerdings, so schildert er es, fand sich «Maestro» nun allein im Wald wieder, getrennt von seiner Einheit, umzingelt von russischen Soldaten. Seine Truppe hatte sich nach dem gescheiterten Angriff zurückgezogen. — (…)

«Maestro» wird gerettet — Dann kam der Tag seiner Rettung. Nie werde er vergessen, wie die Soldaten seiner Brigade in Robotyne einmarschierten und die «Orks» (so nennen die Ukrainer die russischen Besatzer), manche noch in Pantoffeln, davonliefen – unbewaffnet und verängstigt. In seiner Euphorie habe der erschöpfte und verwundete ukrainische Soldat die Russen ebenfalls unter Beschuss genommen – mit einem erbeuteten RPG-7-Handgranatwerfer. Seine Kameraden hätten gewusst, dass er noch lebt. Sie brachten ihn mit einem Kampffahrzeug weg. — Insgesamt musste «Maestro» einen ganzen Monat lang in dem besetzten Dorf verbringen, vom 22. Juli bis zum 24. August, passenderweise dem ukrainischen Unabhängigkeitstag. Nun ist er auf Urlaub und wird in einem Krankenhaus in seiner Heimatregion Iwano-Frankiwsk behandelt. Danach will «Maestro» zu seiner Brigade zurückkehren, trotz der dramatischen Erlebnisse. — Was hätte er getan, wenn er den Russen in die Hände gefallen wäre? «Ich hatte eine Patrone in meiner Tasche», sagt er. «Ich weiß nicht, ob ich in der Lage gewesen wäre, mich zu erschießen, aber ich hatte die Patrone bei mir. Ich hätte mich sicher nicht ergeben.»

 
 

SK-


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