Ein Jahr wie ein Comeback: So klang 2023

22.12.2023NewsRNDMatthias Halbig —   –  Details

Madness 2023

Es ist das Jahr der Rolling Stones, aber auch das von Madness: Mike Barson (von links), Chris Foreman, Graham McPherson alias Suggs, Dan Woodgate und Mark Bedford von der Ska- und Poplegende Madness mit einem Exemplar ihres aktuellen, hinreißend burlesken Albums «Theatre of the Absurd Presents: C›est La Vie» (bei der Wiedereröffnung von HMV›s Hauptgeschäft in der Londoner Oxford Street am 24. November. — 2023 war zuvörderst ein großes Jahr der alten Gestalten aus Rock und Pop. Die Rolling Stones etwa haben gefühlt seit «Some Girls» kein krachenderes Album als «Hackney Diamonds» in den Ring geworfen. Und das ist 45 Jahre her. Die Stones kommen mit Melodien wie in ihren Swinging Sixties zu Sounds wie auf ihren Meilensteinen zwischen «Beggar‹s Banquet» (1968) und «Exile on Main Street» (1972). Und mit dem weihnachtstauglichen Lady-Gaga-Gospelduett «Sweet Sounds of Heaven» – «bless the father, bless the son» – hängen sie spät ihre erste Kugel an den Rock-‹n‹-Roll-Christbaum. — Neues von Olivia Rodrigo, Chrissie Hynde, PJ Harvey, Lankum — Der frühere Disney-Star Olivia Rodrigo, die Jüngste in der diesjährigen Liste, flüstert bei «Vampire» über einen toxischen Lover, hebt dann die Stimme, sogleich rollt ein Klavier los, bevor sich schließlich im Bandgefüge die Wut auf den «famefucker» entlädt. «Guts», das zweite Album der 20-Jährigen, hat Popappeal, rockt in den lauten («All-American Bitch», «Ballad of a Homeschool Girl») aber auch in den leisen (Piano-)Momenten («Logical», «Teenage Dream») dieser entwaffnend ehrlichen Selbstbetrachtung. — Rock ‹n‹ Roll schrammt auch bei «Relentless» aus den Boxen, dem 12. Werk der Pretenders. Alles klingt rau, druckvoll, selbst die schönen Langsamkeiten sind nicht verzuckert. Das erinnert – in den Twangs wie in Chrissie Hyndes kühler, hypnotischer Stimme und den selbstreferentiellen Lyrics – an die Frühzeiten der Band. Pretendissimo. — Gilt auch für die Indierockerin P. J Harvey, deren erstes Werk mit neuen Stücken, «I Inside The Old Year Dying», voller unheimlicher Traumbilder ist, spirituell, verrätselt, anziehend gerade wegen seiner widerspenstigen Momente. Man kann sich darin ebenso verlieren, wie in den glimmenden, flammemden, noisigen Klängen des düsteren Dubliner Quartetts Lankum, deren viertes Album «False Lankum» das Musikmagazin «Mojo» nicht zu Unrecht als «modern folk‹s ‹OK Computer‹ or ‹The Dark Side of The Moon‹» bezeichnete. Man genießt in den ineinander übergehenden Stücken die stillen Momente wie auch den Drang der Band zum Sturm. Drama, Baby! Folkrock für Fortgeschrittene. —

Cat Power singt ein Bob-Dylan-Konzert nach — By the (folk-)way: Rufus Wainwright versammelt auf dem ungleich anmutigeren «Folkocracy» Folkloreklassiker – von «Shenandoah» bis «Wild Mountain Thyme» – und unterwirft sie seinem volltönenden Tenor. Cat Power covert Bob Dylans komplettes «Judas!»-Konzert, als der 1966 von akustischen auf elektrifizierte Gitarren umstieg und die Folkgemeinde sich verraten fühlte. Auf «Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert» phrasiert sie wie der Meister, singt Kolosse wie «Visions of Johanna» und «Desolation Row» (siehe Kunzes «Trostlosigkeitsallee») – nur eben viel süßer und schöner und dann auch noch am im Albumtitel behaupteten Ort – während Dylans Skandalauftritt damals falsch etikettiert wurde und in Wahrheit in Manchesters Free Trade Hall stattgefunden hatte. — Die Beatles in Jazz und der allerletzte Song der Fab Four — Apropos: Die Fab Four stehen im Mittelpunkt von «Your Mother Should Know», dem vielleicht eingängigsten der Alben des amerikanischen Jazzpianisten Brad Mehldau. Der überzeugt schon durch seine schiere Songauswahl und zeigt, was in weniger bekannten Tracks wie George Harrisons «If I Needed Someone» oder «For No One» steckt. Wie er die Melodie von «Baby‹s in Black» vom unterschätzten Album «Beatles For Sale» (1964) ausspielt, ist meisterlich. Boogie-Piano bei «I Saw Her Standing There» und ein Abschluss mit Bowie und seinem «Life on Mars?». — Paul McCartney, Ringo Starr und Giles Martin machten aus einem Demo von John Lennon den «allerletzten Beatles-Song», das versöhnliche und hübsche «Now And Then». Auf dem neu zusammengestellten «blauen Album» wirkt das Stück hinter «The Long And Winding Road» dennoch wie ein Appendix. Und wer auf dem eigentlich ebenfalls Beatles-Eigenkompositionen vorbehaltenen «roten Album» Coverversionen einband («Twist And Shout», «Roll Over Beethoven»), und «You Can‹t Do That» aufnahm (statt beispielsweise die prägnanteren «The Night Before» und/oder «I Should Have Known Better» und/oder «I‹ve Just Seen A Face») muss sich sagen lassen: Schade jetzt!

 
 

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