Späte Rettung eines frühen Richters / Gerhard Richter: Lebensfreude (1956)

06.02.2024NewsFAZ onlineStefan Locke —   –  Details

Gerhard Richter

KUNST UND ERINNERUNG — «Er wird jetzt 92, da sieht man manches anders und vieles auch gelassener»: Das Deutsche Hygiene-Museum legt Gerhard Richters riesige Diplomarbeit frei, ein Wandbild, das Menschen im glücklichen sozialistischen Alltag zeigt. — Zwei Gesichter junger Frauen und zwei Paar Beine sind bereits zu sehen, ebenso die senkrechten Pinselstriche, die ineinander verzahnt einst das gesamte Wandgemälde ergaben. Die Wand wiederum scheint heute aus weißen Kacheln zu bestehen, doch sind es Planquadrate, die die Restauratoren Susann Förster und Albrecht Körber auf der weißen Deckschicht angebracht haben. Sie sollen ihnen beim Freilegen des darunter befindlichen Bildes helfen. «Pro Tag schafft jeder von uns zehn der zehn mal zehn Zentimeter großen Felder», sagt Körber. So kommt Stück für Stück ein Werk zum Vorschein, das Gerhard Richter im ersten Halbjahr 1956 an der mehr als 60 Quadratmeter großen Foyerwand im Deutschen Hygiene-Museum Dresden schuf. «Lebensfreude» lautet der Titel der monumentalen Arbeit, für die er mit Bestnote das Diplom an der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Dresden erhielt. Es zeigt in mehreren Szenen fröhliche Menschen im glücklichen sozialistischen Alltag. — 1979 jedoch wurde das Wandbild übermalt und schließlich vergessen. «Vom Generaldirektor wurde entschieden, das Wandbild von G. Richter zu überstreichen, um den Originalzustand wieder zu erreichen», heißt es dazu in den Akten des Museums. «Außerdem hat G. Richter nach Abschluss seiner Ausbildung 1959/60 Republikflucht begangen.» Genau genommen war Richter 1961 in den Westen geflohen, was wiederum ein Hauptgrund gewesen sein dürfte, «dieser studentischen Arbeit keine künstlerische Bedeutung beizumessen». Ein Jahrzehnt später allerdings hatte sich die Lage grundlegend gewandelt: Die DDR war verschwunden und Richter ein weltberühmter Maler, an den sich nun auch das Hygiene-Museum wieder erinnerte. Doch der bereits in den Neunzigerjahren geplanten Freilegung stimmte Richter seinerzeit nicht zu. — Wandgemälde «Lebensfreude» von Gerhard Richter (1956) im Treppenfoyer Süd des Deutschen Hygiene-Museums

 
 

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