Das platonische Ideal von Klaviermusik / Maurizio Pollini

25.03.2024NewsZeit OnlineFlorian Eichel —   –  Details

Maurizio Pollini

Pollini war am besten, wenn er nicht wie Pollini klang. Der italienische Meisterpianist brachte die Musik wie kein anderer dazu, aus sich selbst heraus zu singen. — Was ist das Schlimmste an einem Klavierabend? Natürlich das Klavier selbst. Mit solchen Aphorismen brachte Maurizio Pollini seine Gesprächspartner regelmäßig aus der Fassung. Der italienische Pianist galt als Intellektueller unter seinen Zunftgenossen. Dem Mailänder Kulturgroßbürgertum entstammend und stets in Maßanzüge gekleidet – kein anderer Musiker der jüngeren Vergangenheit kombinierte so geschmackvoll Krawatten mit Einstecktüchern –, hatte Pollini etwas Würdevolles und Besonnenes. Er wollte kein willfähriges Medium der Musik sein, sondern sie selbstständig durchdenken. — Dieser Anspruch zeigte sich früh, als Pollini 1960 den internationalen Chopin-Preis im Alter von gerade einmal 18 Jahren gewann. Obwohl Arthur Rubinstein dem jungen Mann eine bessere Klaviertechnik als der gesamten Wettbewerbsjury attestierte, fühlte sich Pollini dem Konzertbetrieb, der ihm nun auflauerte, noch nicht gewachsen. Bloß kein Getriebener des Repertoires sein, lieber in Ruhe ein Meister werden, so lautete seine Maxime. Deshalb suchte er Rat und Unterricht beim anderen großen italienischen Pianisten des 20. Jahrhunderts, Arturo Benedetti Michelangeli. Knapp zwei Jahre studierte Pollini unter dem Altmeister und eignete sich nach und nach dessen unterkühlte musikalische Genauigkeit und gravitätische Bühnenpräsenz an. Als er Mitte der Sechziger in die Konzertsäle Europas zurückkehrte, stand der Musikwelt auf einmal ein distinguierter und pianistisch formvollendeter Herr gegenüber. — Doch im Gegensatz zu seinem Lehrer strahlte der twentysomething Pollini keine latente Publikumsverachtung aus, ganz im Gegenteil: Über seine gesamte Laufbahn hinweg war er von einer humanistischen Wärme durchdrungen und in einem geradezu pädagogischen Maße um seine Zuhörer bemüht. Beispielsweise setzte er aus Sorge, die moderne Musik könne sich an den Ohren Italiens vorbeientwickeln, kurzerhand die Werke Arnold Schönbergs, Béla Bartóks und Luigi Nonos auf seine Programme. Später etablierte er mit dem Progetto Pollini einen eigenen Konzertzyklus bei den Salzburger Festspielen, der das Publikum mit zeitgenössischen Werken herausforderte – und bereicherte. — — Kein willfähriges Medium: Maurizio Pollini 1966 in Wien

 
 

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