The Great Bailout / Schuld, Sühne, Soundfiles – Neue Platte von Moor Mother

26.03.2024Newstaz onlineMaxi Broecking —   –  Details

Moor Mother

«The Great Bailout» heißt das neue Album der US-Musikerin Moor Mother. Es handelt von britischer Kolonialgeschichte und ihrer Verstrickung in Sklavenhandel. — Was ist euch wichtig, «About what do you give a shit?» fragte die US-Künstlerin Camae Ayewa unter dem Namen Moor Mother zu Beginn ihres «Tiny Desk»-Konzerts beim Radiosender NPR am 19. Februar, als sie Auszüge ihres neuen Albums «The Great Bailout» vorstellte. Entstanden war das Material 2020. Während der Covid-Pandemie, an ihrem heimischen Computer, hatte sie befreundete Künst le r*in nen gebeten, ihr Soundfiles zu schicken, die sie mit ihrer eigenen Stimme und Musik montierte. — Entstanden ist ein Gesamtkunstwerk aus Noise, Elektronik, Jazz und Gospel; eine Klangcollage als Reaktion auf die kolonialen Verbrechen Großbritanniens und dessen Umgang mit seiner Sklavereigeschichte. Konzipiert als ein langes Gedicht, als afrofuturistische Ballade über Schuld und Sühne. — Im Auftakt «Guilty» sorgen sphärische Harfenklänge von Mary Lattimore mit einem Streicherensemble für sanfte Klangverschiebungen. Wie bei einem Wiegenlied verbinden sich darüber Gesangsmelodien von Raia Was und Lonnie Holley. Beiläufig, fast zärtlich berichten sie vom Grauen der Middlepassage auf Sklavenschiffen. Erst allmählich kommt der Sprechgesang Ayewas dazu, die auf die düsteren Ereignisse einstimmt, ein Vorgeschmack auf die Verhärtung der Musik. Noise-Flächen, Elektronik und ein Beat der wie ein Herzschlag pulsiert. — England besaß im 18. Jahrhundert die weltweit größte Flotte an Sklavenschiffen; die Hafenstadt Liverpool war Haupt umschlagplatz des Sklavenhandels. Insgesamt wurden etwa drei Millionen Menschen verschifft und verkauft und leisteten Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern und Zuckerplantagen der britischen Kolonien in Nordamerika und Westindien. Der Gewinn aus der unbezahlten Arbeit bildete die finanzielle Grundlage des Imperiums. — Entschädigung, aber nicht für die Ausgebeuteten — Nach dem Verbot des Sklavenhandels in Großbritannien 1807 wurde eine beispiellose Summe als Entschädigung gezahlt. Doch die 20 Millionen Pfund (heutiger Wert etwa 18 Milliarden Euro), die etwa der Hälfte der Jahresbruttoeinnahmen des Landes entsprachen, gingen nicht an die als Leibeigene Ausgebeuteten, sondern an die Skla ven be sit ze r*in nen als Kompensation. Die letzte Rate wurde noch 2015 ausbezahlt! — Es gab ab dem späten 18. Jahrhundert auch humanistisch geprägte Kampagnen gegen die Sklaverei. 1807 wurde sie nur in England verboten, ab 1833 auch in den Kolonien. Der Parlamentsentscheid sah jedoch vor, dass nur Kinder unter sechs Jahren sofort frei sein sollten; alle übrigen galten als «Lehrlinge», welche sich erst noch «emanzipieren» und die «Freiheit erlernen» sollten und daher, im Gegenzug für freie Kost und Logis, weitere vier Jahre umsonst für ihre ehemaligen Ei gen tü me r*in nen arbeiten sollten. — Im Zoom-Interview erklärt Ayewa, Vertreibung und ihre Auswirkungen würden nicht genug diskutiert. Sie spricht von einer «PTBS der Vertreibung», einem posttraumatischen Belastungssyndrom, vergleichbar mit Kriegs- und Katastrophen erfahrungen. Das transgenerationale Trauma habe sich in Körper und Selbstwahrnehmung eingeschrieben und verursache noch immer großes Leid. —

 
 

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